Geistig werden wir von Intuitionen bewegt.
Intuition sieht das Wesentliche hinter den Erscheinungen
oder lässt nicht offen sichtliche Zusammenhänge erkennen,
ohne dass der Intellekt bewusst bemüht werden muss.
Doch der Intellekt arbeitet auch unbewusst.
Aus der Fülle des Wissens bildet er das unbewusste Verständnis von Welt,
das eben hie und da schlagartig in das Bewusstsein tritt.
"Der Geist weht wo er will."
Intuitive Erkenntnis ist ein ins Bewusstsein gehobenes Verständnis.
Dadurch wird uns Gelegenheit gegeben
unser Verständnis zu kontrollieren -
und es gegebenenfalls zu korrigieren!
Es wäre fahrlässig,
sich auf Intuitionen zu verlassen,
denn wir kennen ihre Prämissen nicht.
Wollen wir geistig souverän bleiben,
gilt es, Intuitionen zu bedenken.
Hier muss nun einsetzen
was Parmenides (540 - 480) "das rechte Bedenken" nannte,
das seinen Geist auf dem Wege der Wahrheitssuche leitete.
"Auf ihm bewegten mich die vieles deutenden Intuitionen
UND DAS RECHTE BEDENKEN WIES MIR DEN WEG." (Datei II/5a)
Das "rechte Bedenken" ist das Urteilen aufgrund unstrittiger Festlegungen und Prinzipien,
d.h. das Urteilen nach den Regeln der Rechtsprechung,
für die bei Parmenides die Göttinnen der Rechtsordnung (Themis) und der Rechtsprinzipien (Dike) stehen,
die ihn "auf dem kundereichen Weg gebracht hatten,
der da ALLEIN überallhin führt den [nun um den Weg] wissenden Mann."
Bei Benutzung von geklärten Grund-Sätzen weiß man immer
warum man so urteilt wie man urteilt.
Und jeder Benutzer kann diese Urteile nachvollziehen -
ES IST DER WEG DER RATIONALITÄT!
Sind dagegen die Prämissen nicht bekannt,
bleiben wir unseren Urteilen ausgeliefert
und werden von Meinungen (doxa) beherrscht
"denen keine wahre Verlässlichkeit innewohnt",
wie eine namenlose Göttin Parmenides darlegte,
zu der ihm die Dike Zugang gewährte.
Streben wir an "diesen (rechten) Weg zu gehen,
der da außerhalb ist der von Menschen betretenen Pfade",
was der Impetus allen Philosophierens ist,
der der Vernunft zu ihrem Recht verhelfen will,
dann müssen wir uns um unbezweifelbare Prinzipien bemühen.
Aus göttlichem Mund erfuhr Parmenides das wichtigste Prinzip,
"der wohlgerundeten Wahrheit nie erzitterndes Herz",
das da lautet: "Sein ist".
Es ist "ungeboren und unverderblich".
Weder kann es je entstehen noch je vergehen.
Aber er erfuhr auch das selbstschöpferische Prinzip der Welt:
Durch innige Mischung ihrer Glieder kann immer wieder Neues entstehen,
so wie auch ein Kind durch die Mischung der elterlichen Keime/Gene von seinen Elternteilen verschieden ist.
"Bei allem und jedem - das MEHR AN MISCHUNG nur ist ihnen Gedanke."
Aber was waren nun die großen Intuitionen die Parmenides bewegten?
Es war das Durchschauen des "Scheinwesens menschlicher Setzung",
vor allem durch das antagonistische Denken,
"des (geistigen) Pfades von Tag und Nacht", wie es bei ihm heißt.
Der Antagonismus sieht die Welt in unversöhnliche Mächte gespalten
und verkennt das wahre Wesen der Dinge,
VOR ALLEM ABER IHRE EINHEIT UND GANZHEIT!
Was Parmenides vor 2500 Jahren lehrte,
ist angesichts der großen Zahl und der Macht der Menschen aktueller denn je.
Mehr denn je müssen wir die Zahl und die Ansprüche der Menschen begrenzen,
mehr denn je müssen wir unsere Überzeugungen und Antriebe bedenken,
mehr denn je müssen wir die Einheit der Menschheit im Auge behalten,
mehr denn je ihre Abhängigkeit von den natürliche Ressourcen ihr ins Bewusstsein bringen.
Die Erde ist EIN GANZES, das bedacht sein will.
Die Selbstgefährdung des Menschen
ist Folge der unreflektierten beutegreiferischen Antriebe,
mit denen er sich mehr und mehr seiner Lebensgrundlagen beraubt.
So ist das Bedenken unserer Erkenntnisgrundlagen
alles andere als eine akademische Frage -
es ist eine unser Menschsein betreffende Frage
UND EINE FRAGE DES ÜBERLEBENS ZUGLEICH.