Geht man vom Haupteingang des Heilbronner Hauptfriedhofs aus den Mittelweg hinauf, trifft man nach ca. 100 Metern links auf 11 schlichte, in einer Reihe stehende Grabsteine und einen Gedenkstein, davor einige Rabatte. Hier gedenkt Heilbronn der am Karfreitag 1954, genau am 16.04., im Schneesturm am Dachsteinmassiv in Österreich umgekommenen 10 ca. 15 Jahren alten Schüler einer Knabenmittelschule und ihrer drei Lehrer.Auch nach 50 Jahren treffen sich dort am Karfreitag, wie jedes Jahr, die "Schulkameraden jener Fünfer-Klasse, die bei der Osterausfahrt 1954 beteiligt waren", diesmal verbunden mit einer schlichten Kranzniederlegung durch OB Helmut Himmelsbach. Der OB und viele der Anwesenden sind dann auch noch am Karsamstag nach Obertraun gefahren, um an der Heilbronner Kapelle am Krippenstein in 2100 Höhe auf einer zentralen Gedenkfeier unter österreichischer Beteiligung mit kirchlicher Andacht teilzunehmen. Auch die Obertrauner können nicht vergessen, was damals Unfassbares geschah und was ein Mitschüler wie folgt beschreibt: "Wir standen in dieser Nacht (zum Karfreitag) mehr am Fenster und glaubten Rufe von den Bergen zu hören, wussten aber nicht, ob sie echt waren." Doch sie waren wohl echt und die immer noch in den Herzen nachklingenden Hilferufe ihrer im Schneesturm sterbenden jungen Kameraden, deren Leid Heilbronn nicht vergessen kann und das auch mich tief bewegt. Das Heilbronner Stadtarchiv hat anlässlich der 50. Jahrestages alle Fakten von damals in dem Buch "Das Heilbronner Dachsteinunglück 1954" zusammengetragen und dokumentiert, das am Gründonnerstag in den Räumen der ehemaligen Schule in "einer beeindruckenden Gedenkfeier vor rund 200 Gästen" vorgestellt wurde. Ich denke, die Erfurter mit ihren 17 Toten (Lehrer, Schüler und einen Polizisten) nach dem Amoklauf vom 26.04.2002 im Johann-Gutenberg-Gymnasium stehen in einer vergleichbaren Situation, an die ich unwillkürlich denken muss.
Das Dachsteinunglück wird in Heilbronn bis heute "als die größte Katastrophe nach dem Bombenangriff vom 4. Dezember 1944" empfunden. Bei einem englischen Fliegerangriff durch 255 Langstreckenbomber und 9 Jagdflugzeuge fanden 6530 Menschen den Tod und wurden 80 Prozent des Stadtgebiets zerstört. Fast 5000 Tote davon fanden auf dem würdig gestalteten Ehrenfriedhof im Heilbronner Osten, am Rande des Stadtwaldes ihre gemeinsame Ruhestätte. An jedem 4. Dezember trifft sich dort eine noch immer große Gemeinde, um des barbarischen Ereignisses und seiner Toten in einer Feier zu gedenken.
Doch wie ein Gegenstück dazu und wie eine weitere Mahnung des Schicksals zum Frieden gibt es, keine zwei Kilometer vom Ehrenfriedhof entfernt, auf dem ehemaligen Militärgelände "Waldheide" eine Gedenktafel für "die drei Toten des Pershing-Unfall von 1985, durch den die Waldheide überregionale Bekanntheit erlangt hatte." In der zu einer modernen Festung ausgebauten Waldheide waren im Rahmen des Nato-Doppelbeschlussses von denn Amerikanern 40 Atomraketen stationiert worden. Am 11. Januar 1985 kam um 13 Uhr 57 bei der Montage der aus 5 Teilen bestehenden Pershing II die 1. Motorstufe ins Pendeln, stieß mit dem hinteren Ende an den Behälter und explodierte. 3 Soldaten starben im Feuer, 9 weitere Soldaten der "84th Field Artillery" wurden verletzt. Die daneben stehende 2. Stufe fing glücklicherweise kein Feuer. (weitere Einzelheiten s. www.burgen-web.de/ waldheide.htm). Nach den Ereignissen des 11. September 2002 in den USA wurde die hinter dem Gedenkstein liegende Einfassung angelegt und bepflanzt. Auch Grabschmuck ist immer wieder zu finden.
"1992 erfolgte der Abzug der seit 1951 in Heilbronn stationierten Einheiten der US-Army; die Stadt kauft vom Bund 300 Hektar der bisher vom Militär genutzten Flächen, die damit für neue städtebauliche Projekte zur Verfügung stehen. Die Waldheide wurde renaturiert," die ehemaligen Atomwaffenbunker gesprengt, mit Erde abgedeckt und mit Erlen bepflanzt, der alte Zaun in großen Teilen erst 2003 entfernt mit der Folge, dass seitdem Wildschweine wertvolles Biotop großflächig durchwühlen (ebenso wie den Rasen des Ehrenfriedhofs, seit die Stadt sich den Schließdienst "spart"). Da auch kein deutscher Truppenstandort besteht, ist Heilbronn seit 1992 eine entmilitarisierte Stadt, (wie auch das benachbarte Neckarsulm). Die letzten Kasernenblöcke an der Stuttgarter Straße, soweit sie nicht inzwischen nach Umbau einer anderen Nutzung zugeführt wurden, wie Behördenbüros und Studentenwohnheime, wurden im April 2004 abgerissen (s. Bild). Wie zuvor schon alle weiteren Kasernenanlagen in Heilbronns Osten und Süden, wurde 2002 auch die ehemalige Klinikanlage, deren Ursprung das Militärkrankenhaus war, völlig beseitigt und planiert. Sie heißt jetzt "RobertMayerHöhe" und wird seitdem bebaut. Damit ist die Militärgeschichte der ehemaligen Reichs- und späteren Garnisionsstadt Heilbronn hoffentlich endgültig zu Ende.
Zitate aus dem NECKAR EXPRESS vom 7. April 2004 und der Homepage der Stadt Heilbronn bzw. des Stadtarchivs sowie eigene Beobachtungen, alle Fotos von Helmut HilleDoch es gab in Heilbronn nicht nur württembergische, deutsche und amerikanische Kasernen, sondern auch schon eine römische. Siehe hierzu meinen Bericht über das Römerkastell Heilbronn-Böckungen auf (L6).
Am 25. April 2007 wurden am Rande des Festplatzes Theresienwiese in Heilbronn in ihren Streifenwagen sitzend die junge Polizeimeisterin Michèle Kiesewetter erschossen und ihr Kollege lebensgefährlich verletzt. Dieser bis heute (Anfang Mai 2010) unaufgeklärte und unerklärliche brutale Angriff auf die Polizei löste am Tag des Geschehens eine Riesenfahndung aus. Bundesweit bekannt wurde sie vor allem durch die Suche nach dem "Phantom von Heilbronn", das sich nach fast 2 Jahren in Luft aufgelöst hat, denn die verdächtigen DNA-Spuren gehören zu einer Verpackerin der Wattestäbchen, einer polnischen Rentnerin. Man hatte also ganz einfach versäumt, auch einmal ein ungebrauchtes Wattestäbchen zu testen. Ein Text zum Thema mit einem Bildbericht vom stillen Gedenken am 25. April 2009 ist auf der neuen Literaturseite (L21) "Wie mich der Atem der Kriminalgeschichte streifte" zu finden. Auch am 25. April 2010 gab es ein stilles Gedenken, wie dort ein weiteres Foto belegt. - Nachtrag vom Nov. 2011: Jetzt wurde bekannt, dass der Anschlag auf das Konto der Zwickauer NSU-Terrorzelle geht. Vom Motiv aber weiß man weiterhin nichts. - April 2012: Zum 5. Jahrestag wurde am Tatort aller Opfer der Terrorzelle gedacht und eine entsprechende Gedenktafel enthüllt. Der Innenminister des Landes hielt eine beieindruckende Rede. Bilder des Gedenkens ebenfalls auf (L21). - Der ganze Fall heißt dort "Das Phantom von Heilbronn", ist akuell gehalten und schließt nach fast 9 Jahren seit dem Mord mit einer Pressemitteilung vom 19. Februar zu den Sitzungsprotokollen des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus/NSU Baden-Württemberg" zum Abschlussbericht vom 15. Januar 2016.
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