meine monatliche Sentenz auf der Startseite im Jahr 2007
Januar 2007Die Erkenntnistheorie ist die Schnittstelle zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, lehrt sie doch Sein und Schein zu unterscheiden - zumindest sollte die das. Der Schein ist das, was menschlicher Geist aus den hereinströmenden Daten zu seinem Verständnis macht. Wollen wir die Natur in ihrem Sosein verstehen, müssen wir uns zu allererst selbst verstehen, was aber eine schwere Aufgabe ist, fehlt es uns doch dazu an der nötigen Distanz. So schon Laotse: "Andere erkennen ist klug. Sich selbst zu erkennen ist weise." Also nicht so einfach zu erlangen. Wer nun für einfache Gemüter alles so einfach wie scheinbar möglich erklären will (d.h. ohne Berücksichtigung der Beobachterrolle), verzichtet auf die Weisheit, die das Salz der Wissenschaft ist. Noch einmal Laotse: "Der Weise nimmt alles schwer, darum findet er alles leicht." Das ist der Weg wahrer Erkenntnis. Geht man ihn, dann verschwinden am Ende alle die angeblich schweren bis unlösbaren Probleme, die Probleme eines an den Gegenstand der Forschung unangepassten Denkens und Redens sind, das sich nicht selbst hinterfragt oder das in Betriebsblindheit gleich nichts von einer Rolle des Beobachters wissen will und dieses Manko wie Ernst Mach vielleicht sogar noch für eine Tugend hält, quasi sein Nichtwissen durch Glorifizierung immunisiert.
Doch ohne die Kenntnis der Beobachterrolle bleibt alles Wissen vorläufig.
Februar 2007
Der Monist auf seiner Suche nach der Einheit aller Seinsbereiche geht davon aus, dass "Sehnerv-Erregung und Seh-Empfindung" ein und dasselbe sind, d.h. auch er hat wie Einstein die Überzeugung, dass es keine Rolle des Beobachters gibt, da dieser gleich alles so wahrnimmt, wie es ist. So wenig wie wir dann eines Erkenntnisapparates bedürfen, so wenig bedarf es dann einer Erkenntnistheorie. Zudem bleibt die Existenz des menschlichen Großhirns völlig unerklärlich, es sei denn, es wäre einzig zu dem Zweck so enorm gewachsen, um Monisten seine Überflüssigkeit zu zeigen. Haha! Ja närrisch sind die Menschen schon. Damit sie sich dessen bewusst bleiben ist es gut, dass sie einmal im Jahr ihre Narrheit ungestraft ausleben dürfen. So wie der Narr am Hofe der einzige war, der eine Wahrheit relativ gefahrlos aussprechen durfte, was ja wichtig sein kann, so dürfen auf Sitzungen und in Medien unter dem Schutz der Narrenkappe Wahrheiten gesagt werden, die das ganze Jahr sonst tabu sind, z.B. das Alberts Relativitätstheorie (vielleicht? vielleicht auch nicht?) die größte Narrheit der Wissenschaftsgeschichte sei, wenn dies mit einem Augenzwinkern geschieht. Weil auf diese Weise jeder zu seinem Recht kommt, ist man im Karneval so fröhlich.
März 2007
zum Buch von Erhard Scheibe "Die Philosophie der Physiker" Verlag C.H. Beck München 2006, 368 S., € 29,90
hier zu II.: Positivismus und reale Außenwelt ab S. 51
Die Physiker sehen den Fortschritt der Wissenschaft in einer immer weitergehenden Ausblendung des Anthropomorphen, d.h. in der "möglichsten Loslösung des Objekts vom Subjekt" (Scheibe). Blind gegenüber dem eigenen Tun fehlt ihnen jedoch die Einsicht, was das Subjektive ausmacht und wie tief das Ich in aller Erfahrung steckt. Nur zu sagen, dass es eine Rolle des Beobachters gibt, genügt nicht. Man muss auch konkret sagen, worin sie besteht. Doch auf solche Auskünfte von Physikern warte ich bis heute vergebens, weshalb es ihnen auch nicht wirklich gelingt, ihre Aussagen zu objektivieren. So beruht die Erfahrung von Zeitlichen und damit auch von Bewegung im Raum einzig auf dem vergleichenden Gedächtnis. Ohne dieses könnten wir immer nur die gerade jeweilige Lage einer Sache erfassen, wüssten spontan nichts über ihre vorherige und könnten so auch nicht auf ihre zukünftige schließen, was im Überlebenskampf ein großes Manko wäre. Doch außerhalb unseres vergleichenden Gedächtnis gibt es nichts, was man "die Zeit" nennen könnte.
In Ermangelung eines solchen Gedächtnisses wissen die unbelebten Dinge selbst nichts von unseren uns Verständnis gebenden Kriterien Zeit, Raum und Bewegung. Ihnen das zu unterstellen, heißt sie zu vermenschlichen. Einstein nahm darüber hinaus an, dass sie sich nach diesem Wissen auch noch richten würden! Dazu behandelte er diese Kriterien, wie überhaupt alle physikalischen und damit geistigen Größen, gleich als real existierende Dinge, welche die an und für sich subjektiven Phänomene bewirken würden. Das war seine (autistische) Art von "Objektivität", die noch immer wohl gelitten ist. Und noch immer haben Physiker keine Hemmungen frei von Sachlichkeit z.B. vom Licht zu sagen, dass es "sich bewegt" und "sich fortpflanzt", als wäre es ein Tier oder Mensch mit Bewegungs- und Fortpflanzungsorganen. Und manche sprechen auch davon, es wäre auf seinem langen Weg zwischen den Galaxien "ermüdet", um sich seine Rotverschiebung billig "zu erklären". Schöner "wissenschaftliche Realismus", der doch oft nur ein mit Analogien arbeitender Biologismus oder Mentalismus ist, der die Sache selbst aber überhaupt nicht trifft, da sie von sich aus einzig in ihrem Zustand verharrt, wie Newton richtig sagte. Das heißt: sie bleibt so wie sie ist, solange keine vor Ort anwesende reale Kraft auf sie einwirkt. Kann es eigentlich etwas Selbstverständlicheres geben?
Jene Metaphorik führt am meisten in die Irre, die man als solche gar nicht bemerkt. Da mit Stolz geschwellter Brust zu behaupten, die physikalische Wissenschaft wäre ihrem Ziel "der Loslösung des Objekts vom Subjekt im Laufe der Zeit beträchtlich nahe gekommen" (Scheibe) ist eine völlige Verkennung ihrer Lage. Niemals zuvor nämlich war Physik so mentalisiert wie seit Einstein, der sein Wissen und Denken auf die Dinge projizierte und sich dann wunderte, dass ihm die Welt so verständlich erschien und zirkulär dies als die Bestätigung seiner Ansichten hielt, wie es seine Jünger noch viel begeisterter auch heute noch tun, was sie ebenso unzugänglich für kritische Argumente macht, wie einst Einstein gegenüber denen Bohrs.
April 2007
nochmals zum Buch von Erhard Scheibe "Die Philosophie der Physiker"
hier zu: V. Theorie und Erfahrung/B Deduktive und induktive Physik, S. 129
Scheibe schreibt hier, dass Axiome eine "schlechte Eigenschaft" einer Theorie wären, auch wenn sie der Erfahrung gemäß "wahr" sind, und weiter: "Denn ob ein physikalisches Axiom gilt, können wir nur unter Heranziehung der Erfahrung … entscheiden." Er meint also Axiome als schlichte Tatsachenbehauptungen, wie wir sie bei Einstein finden, z.B. die freie Behauptung, dass nichts schneller ist als das Licht oder dass es Gravitationswellen gibt und sie sich mit Lichtgeschwindigkeit "fortpflanzen". Ganz offensichtlich weiß Scheibe zumindest an dieser Stelle nicht, was ein Axiom ist, nämlich "ein keines Beweises bedürfender Grundsatz" (Duden), und gibt damit ein Beispiel für den traurigen Zustand heutiger Physik in Grundsatzfragen, weshalb sich ihre Diskussionen im Kreise bewegen. Axiome sind als Grund-Sätze weder wahr noch unwahr. Bei ihnen kann man nur fragen, ob sie stimmig zu dem allgemeinen selbstevidenten Prinzip sind, von dem sie abgeleitet wurden, bei Newton also, ob sie dem Umstand entsprechen, dass jede Sache von sich aus in ihrem Zustand verharrt (Principia, Def. III).* Der Sinn einer vernünftigen, d.h. auf Vernunftgründe setzenden Axiomatik ist Scheibe und seinem Korrekturteam - mit der von ihm ausdrücklich bedankten Physikerin und Philosophin Brigitte Falkenburg von der Universität Dortmund an der Spitze! - entgangen, ebenso wie den meisten Physikern des 19. und 20. Jahrhunderts, mit deren Denken er sich moderat befasst.
*s. auch meinen DPG-Vortrag von 2007: "Newtons Philosophie der Physik - zeitlos!" auf ZEIT UND SEINDie Vokabel "wahr" sollten Wissenschaftler sowieso besser aus ihrem Sprachschatz streichen. Durch Messungen feststellbar ist nämlich nur, ob und inwieweit eine Vorhersage mit der Erfahrung übereinstimmt, was noch wenig über zukünftige Erfahrungen besagt, auf was Popper hinwies. Mehr ist nicht möglich. Und bei einer Theorie können wir nur feststellen ob und in welchem Maße und innerhalb welcher Grenzen sie brauchbar ist. Die Vokabel "wahr" dagegen gehört für mich zur rein menschlichen Sphäre und bezeichnet die Übereinstimmung zwischen dem Gewussten und dem Gesagten. Denn nur auf das Gewusste hin können wir Aussagen machen und Urteile fällen. Geistig können wir nur mit dem Geistigen umgehen. Darum ist auch alle "Wahr-Nehmung" schon ein Urteilen aufgrund des vorhandenen Wissens und der Weltsicht. Ich muss schon wissen, was ein Haus charakterisiert, um etwas als Haus wahrzunehmen und darauf bestehen zu können, dass es wahr ist, dass ich ein Haus sehe. Goethe in der Italienischen Reise: "So kann man sagen, daß wir schon bei jedem aufmerksamen Blick in die Welt theoretisieren."
Bereits wenn ich im Labor "nur" die Zeigerstellung einer Messapparatur ablese, muss ich deren Bedeutung, wie die Größeneinheit und den Sinn der Messung, im Hinterkopf haben, soll die abgelesene Maßzahl etwas besagen. Erst durch die Verbindung mit dem Wissen entsteht das, was man eine Messung nennt. Uhren, Apparate und Fotoplatten messen nicht, sondern sie zeigen nur an, auf was sie geeicht sind. Messen tut immer nur ein Beobachter, der das so gewonnene Wissen dann noch in Beziehung zum übrigen Wissen des Fachgebiets bringen muss, wenn aus ihm Folgerungen gezogen werden sollen, was ja der Zweck solcher Messungen ist. Geistiges ist nicht hintergehbar. Es doch zu können ist die Illusion der Naturwissenschaftler, wie auch gerade wieder Scheibes Buch belegt. Sie wollen zwar Wissen schaffen, wissen jedoch nichts von der Rolle ihres Wissens in aller Erfahrung. Autistisch blind gegenüber sich selbst, glauben sie z.B. dass Uhren und Apparate "messen" und damit ein quantitatives Wissen hätten. Da ist dann bis zu Einsteins absurder Sicht, dass ein solches (nur beim Beobachter existierendes) "Wissen" zugleich die Grundlage des Verhaltens der Dinge wäre (spez. Relativitätstheorie), nicht mehr weit. Wenn man sein Wissen auf die Dinge projiziert, ist es nicht verwunderlich, dass sie einen sooo begreiflich erscheinen, was Einstein sich jedoch nicht erklären konnte. Deshalb kann man es nicht oft genug erwähnen: tote Dinge sind dumm und unwissend. Sie verharren einzig nur in ihrem Zustand, solange keine vor Ort anwesende physikalische Kraft auf sie einwirkt (Newton 1. Axiom). Wie ein Beobachter über sie denkt, ist für sie ohne jede Bedeutung. Um das zu verstehen müsste man freilich erst zwischen Beobachter und Beobachtetes unterscheiden lernen und aufhören, diese Differenz zu leugnen. Goethe in "Italienische Reise": "Der junge Mann verlangt Gewißheit ... Kommt man tiefer in die Sache, so sieht man, wie eigentlich das Subjektive in den Wissenschaften waltet, und man prosperiert nicht eher, als bis man anfängt, sich selbst und seinen Charakter kennen zu lernen."Meldung und Stellungnahme zu:
"Gedankenforscher. Was unser Gehirn über unsere Gedanken verrät"
Bis zum 11. Mai 2007 war auf der Seite "Aktuelles" zu lesen: "Von der Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung wurde ich um Hinweis auf ihr 11. Berliner Kolloquium am 9. Mai 2007 gebeten. Thema: Gedankenforscher. Was unser Gehirn über unsere Gedanken verrät. Exploring the Mind. What Our Brain Reveals about Our Thoughts. Die Veranstaltung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Bernstein Center for Computational Neuroscience Berlin und dem Universitätsklinikum Charité Berlin. Mein Kurzkommentar: "Gedanken werden die Hirnforscher doch wohl nicht lesen können." Da hatte ich mich aber geirrt.
Offensichtlich begleitend zu der Veranstaltung wird im neuesten Heft (1/2007) der MaxPlanckForschung in der Rubrik "Forschung aktuell" von eben einem Mitarbeiter des Berliner Bernstein Centers for Computational Neuroscience über "Gedankenlesen mit dem Tomografen" berichtet. Danach erfolgt dieses "Gedankenlesen" "in einem klar definierten Versuchsablauf", wodurch es den Forschern mit Hilfe der Magnetresonanz-Tomografie gelingt, "die Absichten ihrer Versuchspersonen schon im Voraus zu entschlüsseln". Dabei ging es aber lediglich um die Entscheidung der Testperson, ob sie zwei Zahlen addieren oder subtrahieren will. Dazu hatten die Wissenschaftler zuvor festgestellt, "dass Intentionen nicht in einzelnen Nervenzellen gespeichert werden, sondern in einem räumlich verteilten Muster neuronaler Aktivitäten". Anhand des Musters der Gehirnaktivität in einem bestimmten Areal erkennen die Forscher, ob der Proband eine Addition oder Subtraktion plant. Es handelt sich hier also um eine Zwangsführung des Denkens mit zwei Alternativen, mehr nicht. Trotzdem betrug die Trefferquote nur 70%.
Erst recht werden dann freie Gedanken, so wenn ich überlege, was ich am heutigen Tag alles vorhabe, (erfreulicherweise) wohl nie auf diesem Weg aufgeklärt werden können (obgleich ich ja nichts zu verbergen habe), worauf sich mein Kurzkommentar "Gedanken werden die Hirnforscher doch wohl nicht lesen können" bezog. Durch sensationelle Aufmacher versuchen Forscher bzw. Presseabteilungen zuerst Aufmerksamkeit zu erregen und dann durch das Versprechen von weit in der Zukunft liegender eventuell brauchbarer Ergebnisse Forschungsgelder einzuwerben. So auch hier. Dies gilt es beim Lesen solch übertriebener Ankündigungen immer zu verstehen. Und das heißt für mich, den Schreibenden mit Hilfe des Gehirns ins Gehirn zu schauen und die hinter ihren Worten liegenden Absichten zu erkennen. Das ist weit mehr, als ein Tomograf jemals wird leisten können, dessen Befunde zudem immer der Interpretation eines kritischen Fachmanns bedürfen. Das Fatale ist jedoch, dass Geheimdienste, die gar zu gern wüssten, was ein Proband denkt, ob er die Wahrheit sagt oder ob er lügt, wieder ein Mittel in die Hand gespielt werden soll, ihn zu durchschauen, was man hier dann erstmals ganz wörtlich nehmen darf, weshalb sich unweigerlich Geldgeber für diese ansonsten unsinnige Forschung gefunden haben, wenn sie nicht gar von ihnen angestoßen wurde. Dem Ehrgeiz der Wissenschaftler ist es wiedereinmal egal, wer sie bezahlt und wer sich letzten Endes ihrer Ergebnisse bedient - ob sie dem Menschen persönlich nützen oder schaden.Nachtrag: Am 17. März 2011 wurde ich von der Daimler- und Benz-Stiftung gebeten, ihren Veranstaltungshinweis zum diesjährigen Berliner Kolloquium, dem inzwischen 15., zu übernehmen, das am 18. Mai 2011 in Berlin im Langenbeck-Virchow-Haus stattfindet (doch ich hatte 2011 keine Seite "Aktuelles" mehr). Thema ist die Frage "Kopf oder Bauch – Wie der Mensch entscheidet". Die Wissenschaftler "interessieren sich vor allem für die individuellen Verhaltensunterschiede aufgrund persönlicher Einstellungen oder kognitiver Fähigkeiten, für die Rolle von Emotionen und für die physiologischen und genetischen Grundlagen, die für das Verhalten ursächlich sein können", was hier schon lange thematisiert und weitgehend geklärt ist, z.B. 1997 von Wolfgang Dittrich auf (II/9) "Das Natürliche des Nichtverstehens".
Am 18. April 2012 erreichte mich die Einladung zum 16. Berliner Kolloquium der Daimler und Benz Stiftung am 2. Mai 2012 mit dem Thema "Gene und Umwelt - Wie wir werden, was wir sind".
Mai 2007
Wenn wir etwas nach der Vernunft entscheiden, dann entscheiden wir nach einer zutiefst im Menschen angelegten Gabe, nämlich der Ratio, mit deren Hilfe unser Hirn nach stimmigen Zusammenhängen sucht, die es auch als vernünftig erscheinen lassen, eine vom Individuum unabhängige reale Außenwelt anzunehmen, obwohl sie ihm zwangsläufig transzendent ist. Es ist immer der Beobachter, der seine ihm Verständnis gebenden Begriffe und Denkmethoden an die Dinge heranträgt und mit Versuch und Irrtum probiert, wie weit sie für seine Ziele hilfreich sind. Da gibt es keine außer ihm liegende Instanz, die ihm Vorgaben macht. Und auch die Dinge sagen ihm nicht, wer oder was sie sind. Er muss sich schon selbst etwas einfallen lassen, um sie real und geistig in den "Griff" zu bekommen, geistig z.B. eben, neben den Namen von Erscheinungen, durch die "Begriffe" die er bildet. Und das Arbeiten am Begriff ist die Hauptaufgabe des Philosophen (Hegel), während der Dichter an der Sprache arbeitet, um sie für Gedanken und Gefühle durch Verdichtung transparenter zu machen. Und der Naturforscher stellt in Form von Experimenten Fragen an die Natur in der Hoffnung, dass sie ihm seine Erwartungen bestätigt oder ihm neue Antworten gibt.
In Anbetracht der menschlichen Neigungen können wir jedoch nur bei einem unerwarteten Ergebnis sicher sein, dass keine Selbst- oder Publikumstäuschung vorliegt. Heute, wo die sehr teuer gewordene Forschung auch wieder von Versprechungen gegenüber ihren öffentlichen Geldgebern lebt, ist der Eifer ungeheuer, das Erwartete und nur das Erwartete zu finden, wie die Alchemisten einst bei ihrer illusionären Suche nach Gold, dass ihre Herrscher für Hofhaltungen und Kriege so dringend benötigten. So wird weiterhin gemogelt und das Unerwartete übersehen bzw. das Unerwünschte, das vielleicht einen neuen Ansatz bringen würde, umgedeutet bzw. relativiert. Auf diese Art von "Freiheit der Forschung" hätte ich gern verzichtet.
Wenn Einstein feststellt: "The most unintelligible thing about the world is that it is intelligible", dann wundert er sich zu unrecht über die Verständlichkeit der Welt, sieht doch gerade jeder die Welt so, wie sie sich ihm aufgrund seiner individuellen Verständigkeit ergibt. Irgendein Beweis ist mit ihr nicht verbunden, gibt es doch soviele Welten, wie es Köpfe gibt, die über sie nachdenken, weshalb man ja in Schulen Meinungsstandards vermitteln muss, gerade auch in Partei-, Koran- und Sonntagsschulen und nicht zuletzt lebenslänglich durch kontrollierte Medien. Ja, hätte Einstein gesagt, jede Erkenntnis ist relativ zu den Erkenntnismitteln, dann hätte er etwas Richtiges und Weises zum Thema "Relativität" gesagt und ich könnte ihn dafür loben.
Um mit einer Sache gedanklich und real effektiv umgehen zu können, versuchen wir sie isoliert zu erfassen, ob im Leben oder in der Wissenschaft. Nehmen wir es aber genau, bemerken wir bald, dass es in der Welt nichts völlig Isoliertes gibt, wie uns am besten die Schwerkraft zeigt, weshalb alle isolierten Betrachtungen bestenfalls Näherungen oder Momentaufnahmen sind. Ein Quantenzustand ist auch nur eine Momentaufnahme, denn er zerfällt durch Wechselwirkung mit seiner Umgebung expotentiell in rasender Geschwindigkeit, Dekohärenz genannt. Das ist jedoch nur für jene ein theoretisches Problem, welche die Grundposition unseres Vorgehens nicht bedenken, weil es ihnen in ihrem Männlichkeitswahn, alles wissen und beherrschen zu wollen, schwer fällt, natürliche Grenzen des Wissens zu bemerken oder zu tolerieren. Ferner geraten Autisten mit ihrer mangelnden Fähigkeit sich in ein Gegenüber hineinzuversetzen und es zu verstehen in Panik, wenn es keine letzten Gewissheiten gibt, auf die sie sich verlassen können, in der Physik zum Beispiel infolge der nicht aufhebbaren Ungewissheit, in welchem genauen Zustand Quanten vor einer Messung sind, also die nicht hintergehbare Unbestimmtheit in der Quantenphysik, die eine Unschärfe des Wissbaren zur Folge hat, die man glaubt, nicht hinnehmen zu können und dann doch noch lieber meint, dass es sich um eine Unschärfe der Quanten handelt, bleibt doch wenigstens der Beobachter dabei außen vor. "Auf der Suche nach der Wahrheit schafft sich der Mensch (von seinen Wünschen und Ängsten getrieben) die Wahrheit, die er sucht." (Günther Faust) Dazu Friedrich Seibold: "Philosophieren in Grundfragen ist eben nur scheinbar ein Philosophieren, tatsächlich wird das (angesichts individueller und kollektiver Bedürfniswahrheiten) immer schnell zum psychologischen Problem." Wo es an Sachverstand fehlt, sei es aus Mangel an demselben, sei es wegen fehlenden Wissens, lassen sich Menschen dann von ihren uneingestandenen Phobien leiten.
Komödiantische Philosophie
"Der Gedanke laesst sich nicht vom Gedachten trennen." (Goethe, Italienische Reise)Zum herrschenden dualistischen Weltbild gibt es von Friedrich Seibold eine "komödiantische Kurzfassung" seiner "Elementarlehre", von ihm "Münchhauseniade" genannt. Historische Vorlage ist Baron Münchhausen der vorgibt, sich am eigenen Schopf mitsamt dem Pferd aus dem Sumpf gezogen zu haben, in den er reitend geraten war.
Erste Variation: Das herrschende Weltbild gibt vor, man könne sich aus dem eigenen Denken herausdenken, indem dieses eine 'bewußtseins- d.h. denkunabhängige Welt' und damit ein 'außerhalb des Denkens' denkt.
Zweite Variation: Das herrschende Weltbild gibt vor, man könne denkend das notwendigerweise immer subjektive Denken verlassen, indem dieses die Bedeutung 'objektiv' denkt und sich damit in eine als solche nicht-gedanklich 'objektive Welt' zu versetzen vorgibt.
Dritte Variation: Das herrschende Weltbild gibt vor, man könne Wahrheit aus dem Denken herausnehmen, indem sie nicht zuletzt in nicht-gedanklichen 'objektiven' Tatsachen erkennbar sei, obwohl sie immer nur ein Denkresultat und damit im Denken ist.
Vierte Variation: Das herrschende Weltbild gibt vor, man könne frei wollen, wodurch ein freier Wille, notwendigerweise frei von allem, auch frei vom Denken sein, sich also aus dem Denken gedanklich herausnehmen lassen müßte, obwohl 'freier Wille' gedacht wird.
So wie Münchhausen an sich selbst ansetzend sich aus dem Sumpf heben will, so will das Denken in den vier Variationen, an sich selbst ansetzend, sich in ein Nicht-Denken heben, indem es 'außerhalb des Denkens', 'nicht gedankliches Objektives' und 'frei vom Denken' seiner Bedeutung nach zu denken vorgibt.
Und was ist die Moral von der Geschichte? - Man lasse beim Philosophieren das Denken nicht außer acht, damit es sich nicht aus sich selbst heben will.
Friedrich Seibold
frühere Texte von Friedrich Seibold
Zum Thema s. auch meine Buchbesprechung (II/3): "Mitterer/Das Jenseits der Philosophie" sowie (III/7) "Die Waage der Welt" u.a.
Juli 2007
Auch jede Messtoleranz besagt eine Unschärfe und Grenze des Wissbaren. Nun haben aber die Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie so winzige, in der Grauzone von Messtoleranzen liegende Abweichungen von klassischen Vorstellungen zur Folge, dass sie für nichts von Belang sind, außer um eben zeigen zu können, warum "Einstein - Superstar der Wissenschaft" genannt wird (im ZDF in der Reihe "Giganten" - nach kommentarloser Verschiebung am 10. Juli um 23:30 Uhr gesendet - ein menschlich anrührender Film vor dem Hintergrund eines neurologischen Problem Einsteins. Aber es war fast alles grundfalsch, was "Einstein" und der reale Physiker zur Physik sagten). Der relativistische Effekt der Abweichung von Kreiselachsen in der Nähe großer rotierender Objekte durch die Drehung der Raumzeit, richtiger: durch die eventuelle Mitdrehung des Gravitationsfeldes, denn es gibt keine Raumzeit, sollte durch den NASA-Satelliten "Gravity Probe B" gemessen werden. Vor allem wegen der erforderlichen Messgenauigkeit - es ging um die unvorstellbar kleine Drehung von 39 Millibogensekunden pro Jahr! - wurde 40 (!) Jahre lang an dem Projekt hingearbeitet und es wurden 760 Millionen US-Dollar investiert! Trotzdem konnte jetzt im Orbit in 3 Jahren mit den 4 Kreiseln kein Effekt nachgewiesen werden, was aber die Redaktion des "Physik Journals" in gewohnter Manie in ihrem Personenkult nicht hinderte, frech unter das beigefügte Bild des Satelliten zu schreiben: "Das Projekt Gravity Probe B bestätigte Einstein...", weil es in ihren verblendeten Augen auf der Welt sowieso nichts geben kann, was Einstein nicht "bestätigt". Wegen elektrostatischer Aufladungen der Kreiselgehäuse wären die Messungen 100-mal ungenauer als geplant gewesen. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei aber um eine Ausrede, denn wer so dreist lügt, ist auch um Ausreden nicht verlegen. Ich will aber damit nicht sagen, dass ich einen solchen Effekt prinzipiell für unmöglich halte, denn warum soll das mitdrehende Gravitationsfeld eines Himmelskörpers ihn nicht erzeugen können, was eben überhaupt nichts mit Relativität zu tun hat (was aber dann niemand mehr interessiert). Aber selbst wenn der Effekt einwandfrei ohne Tricks nachgewiesen werden könnte, würde seine kaum aufspürbare Winzigkeit trotzdem nur seine völlige Bedeutungslosigkeit für alles Geschehen in der Welt beweisen, was aber die "Forscher" überhaupt nicht stört, solange man ihnen Geld für ihre nur noch "ironisch" zu nennende Wissenschaft im Niemandsland des Messens so leichtfertig bewilligt, wobei die Berufung auf den hochgejubelten Einstein bei den gutgläubigen Geldgebern natürlich besonders förderlich ist. Ich denke, mit den Gravitationswellen, deren ebenso teurer Nachweis (wegen des gleichermaßen winzigen Effekts) man sicher im Einsteinjahr 2005 präsentieren wollte, die man aber bis heute (August 2007) ebenfalls nicht gefunden hat, wird es sich einmal ähnlich verhalten, da wegen der Dominanz der nahen Massen und weil Schwerkraft nicht abgeschirmt werden kann, wahrscheinlich schon eine vorbeifliegende Hummel einen größeren Gravitationseffekt auf eine Messanlage bewirkt als eine Supernova in der Großen Magellanschen Wolke - s. im Langtext (I/B5) "Gedanken zum Nachweis von Gravitationswellen". (Quelle zu Gravity Probe B: "Physik Journal" Juni 2007, S.14)
Die ganzen unseligen Experimente dieser Art haben 1881 auf Wunsch von Helmholtz durch den Amerikaner Michelson in Potsdam begonnen, der als erster versuchte die Existenz des Äthers mittels der "Bewegung" der Erde in ihm nachzuweisen. Als auch alle verfeinerten Messungen nichts erbrachten, dachte sich Einstein, Ideen von Fitzgerald, Lorentz und Poincarés nutzend, als Ausrede kompensatorische Eigenschaften einer eigens (ad hoc) erfundenen Raumzeit aus, welche die Messung der Erdbewegung durch den Äther nur verhindert hätten. Durch die Mißerfolge nicht klüger geworden, sucht man seitdem nach Beweisen für diese Raumzeit und damit für den Äther bis heute, deren Ausbleiben wiederum zu immer weiteren Ausreden führt, da man auch nach über 125 Jahren nicht glauben will, dass die Natur nicht so ist, wie man sie sich wünscht und vorstellt. Ebenso kann man nicht glauben, dass eine Bewegung immer nur relativ zu einem vom Beobachter gesetzten Bezugspunkt existiert (was eben die Relativität der Bewegung ausmacht) und keine am Objekt selbst feststellbare Eigenschaft ist, weshalb man lieber den Messmitteln am Nichterweis der Bewegung die Schuld gibt, als dass man die Rolle des Beobachters bedenkt, wie es Aufgabe der Wissenschaft wäre, will sie denn objektiv und damit Wissenschaft sein, die Wissen schafft. Weil diese Art von "Forschung" unerwünschte Fakten durch herbeiphilosophierte Hypothesen sowie mit immer neuen Ausreden und notfalls auch mit Manipulationen und dreisten Lügen bekämpft (Freiheit der Forschung), um im Sinne von Einsteins Autismus letztlich dem Beobachter keine Rolle einräumen zu müssen, heißt sie zurecht "ironische Wissenschaft" oder besser noch "Antiwissenschaft", die man zu Lasten des Steuerzahlers betreibt, sich dabei auf Einsteins "Genie" berufend, das deshalb immer hochgehalten werden muss, um das tumbe zahlende Volk bei Geberlaune zu halten. Doch schon die sog. "erste Bestätigung" der Allgemeinen Relativitätstheorie 1919 durch Eddington war eine Manipulation und damit eine Lüge, die gleichwohl Einsteins Ruhm begründete s. (I/B7a), Anhang 1 "Wie man zu 'Beweisen' kommt". Aber die Folgen solcher Einstellung zur Wahrheit sind fatal: suchen wir immer nur krampfhaft nach Rechtfertigung offenkundig gewordener Irrtümer, anstatt sie abzulegen, dann sind wir nicht zukunftsfähig. Und ebenso wenig sind wir es, wenn wir glauben, dass es keine Rolle des Beobachters gibt, denn dann gäbe es auch keine Verantwortung der Menschen für ihr Denken, Reden und Tun. Soll dieser Fatalismus wirklich die Botschaft der Wissenschaft sein, die uns eigentlich helfen soll, durch Einsicht eine bessere Welt zu gestalten? Und hat der Steuerzahler denn kein Anrecht darauf, für sein Geld statt Ausreden und Schlimmeres die Wahrheit zu erfahren? Oder muss ich glauben, was das Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen anläßlich der Tagung "Einstein und Europa" (am 12.12.05 in Düsseldorf) schrieb, dass Einstein "nicht nur das naturwissenschaftliche Weltbild revolutionierte", "sondern auch die gesamten Forschung," und gleich auch noch "maßgeblich zu einer Neubestimmung des Verhältnisses von Forschung und Gesellschaft beitrug": nämlich dass es nun nicht mehr auf die ungeschminkte Wahrheit sondern auf geschickte Ausreden ankommt, damit in einer satten Gesellschaft und ihren etablierten Lehrstühlen niemand mehr um- und weiterdenken muss? - Ich kann mir gut vorstellen, dass meine Ausführungen für Einsteinverehrer, die sich nicht tiefer mit seinem Denken auseinandersetzen möchten, schockierend sind. Doch da ist nicht mir oder Einstein ein Vorwurf zu machen, sondern jenen, die Einstein ständig groß herausstellen, um in seinem aufgeblähten Schatten ihren eigenen Interessen ungestört nachgehen zu können, weshalb Aufklärung weiterhin geboten bleibt, noch dazu, wenn ganz aktuell von einem eigentlich der wissenschaftlichen Wahrheit verpflichteten Fachorgan dreist gelogen wird.
inzwischen auch als eigene Datei (I/B16) "Ausreden ohne Ende? Zum Scheitern von Gravity Probe B" und (seit Okt. 2009) "der ebenso vergeblichen Suche nach Gravitationswellen"Auszug aus Text (I/B7a) "Was heißt beobachten?", hier der viertletzte Absatz:
Um was es mir letztlich in der Auseinandersetzung mit Einsteins Denken wirklich geht - und um was es uns allen gehen sollte! - ist einzig und allein die uralte zentrale Frage nach dem Selbstverständnis des Menschen: ob er nur ein blind gegenüber sich selbst dahintreibender "lebloser Gegenstand" (Einstein) im Strudel der Raum-Zeit (und des Zeitgeistes) ist, oder ob er sich als ein zu verantwortlicher Gestaltung einer humanen Welt aufgerufenes eigenständig fühlendes und denkendes lebendiges Wesen erkennt, das in der Freiheit, die es sich nimmt, sehend sich selbst Werte, Ziele und Maßstäbe setzt. Diese Frage nach dem Sein und dem Sinn menschlicher Existenz, verbunden mit der Frage nach ihrer Zukunft, muss jeder vor seinem Gewissen für sich selbst beantworten. Kein noch so teurer, angeblich wissenschaftlicher "Beweis" kann ihn dabei entlasten. Ich bin überzeugt: wir nehmen sowohl als Einzelne, als auch als Gesellschaft entweder die Verantwortung für unser Denken, Reden und Tun ohne Wenn und Aber wahr oder wir werden als Menschheit am unkontrollierten Egoismus scheitern.
August 2007
Reichenbach sprach von den "Willkürlichkeiten der Naturbeschreibung", die es zu erkennen und zu formulieren gilt, um zu einer objektiven Erkenntnis zu kommen. So sehr ich im Prinzip mit ihm übereinstimme, so würde ich doch nicht von den "Willkürlichkeiten der Naturbeschreibung" sprechen, sondern gerade eher von ihrer Zweckmäßigkeit in der Auseinandersetzung des Subjekts mit der Welt in der es lebt und von der es prinzipiell nichts weiß. Fragen müssen wir uns daher, auf welche Weise es ihm trotzdem gelingt, einen erfolgreichen Überlebenskampf zu führen.
Das Gehirn weiß zwar nichts, aber es weiß sich zu helfen, das steht fest, denn sonst wären wir nicht da. Günther Faust zu der Situation: "Ob es uns gefällt oder nicht: wir sind die Nachkommen von Opportunisten." Nur wenn wir die Situation so nüchtern sehen, werden wir die große Leistung des Gehirns und die Weise seines Vorgehens verstehen lernen. Die weit verbreitete Illusion, dass es keine Rolle des Beobachters gibt (s. Friedrich Seibolds "Komödiantische Philosophie", zu finden im Junitext), will es sich nur "so einfach wie möglich" machen, um keine Verantwortung für das eigene Denken und Tun übernehmen zu müssen. Wenn solche Leute dann über Erkenntnistheorie philosophieren, kann man von ihnen keine Aufklärung erwarten, ist diese "Philosophie" doch nur wieder ein weiterer Versuch in einer langen Reihe, den naiven Realismus zu rechtfertigen. Die evolutionäre Erkenntnistheorie zähle ich ebenso zu diesen Versuchen, auch wenn sie den Erkenntnisapparat ganz richtig zuerst als eine Folge der Auseinandersetzung mit einer unbekannten Mitwelt deutet. Letztlich läuft die EE-Theorie jedoch auf eine Biologisierung der Vernunft hinaus, die aber nach ganz eigenen Kriterien arbeitet, auch wenn sie in einem unbekannten Umfeld auch schon mal nach dem Muster von "Versuch und Irrtum" verfährt, das anzuwenden in dieser Situation dann eben auch vernünftig ist. Naturwissenschaftler haben einen unheimlichen Hang, alles Geistige als etwas Materielles hinzustellen, fühlen sich dabei aber selbst als große Geisteshelden, ähnlich wie "der Wiener Kreis" einst die Überflüssigkeit der Philosophie propagierte, was er aber als hohe Philosophie verstanden wissen wollte. Ja, närrisch sind die Menschen - und zur Not auch noch verlogen (s. Juli/August-Text), wenn es um ihre "Bedürfniswahrheiten" (Seibold) geht.
September 2007
Zu sagen: "ab heute bin ich objektiv" mag zwar die Aufmerksamkeit schärfen, aber mehr noch nicht. Mehr bringt da schon die Frage, woher ich denn etwas wissen kann, was das Prädikat "Wissen" verdient. Dazu muss ich mir als Erstes die Situation klar zu machen versuchen, in der ich stehe, ist doch alles Wissen relativ zu den Erkenntnismittel, über die ich verfüge. So ist ausgeschlossen, dass es eine Wahrheit an sich gibt. Zuerst muss ich daher nach den Mitteln meiner Erkenntnis fragen, will ich über Erkenntnisgewinnung philosophieren. Hier bietet die Hirnforschung heute eine große Hilfe an, weshalb für mich die Neurophilosophie die Zukunft der Erkenntnistheorie ist - die Verbindung von Hirnforschung mit philosophischen Fragestellungen, denn auch der reine Hirnforscher muss sein Tun und Urteilen stets kritisch hinterfragen. Seine Erkenntnissituation ist die gleiche wie die aller übrigen Menschen. Auch er muss interpretieren. Eine große Hilfe ist da die Autismusforschung geworden. Im Script zum Autismusthema in der WDR-Sendereihe Quarks & Co heißt es auf S.17: "Selten habe Wissenschaftler von einer Krankheit soviel über den Menschen gelernt wie bei der Erforschung des Autismus. Gerade für die Hirnforschung ist der Autismus eine Chance, das Denken und Fühlen der Menschen besser zu begreifen..." - wenn man dabei auch immer die Grundsituation des Hirns bedenkt, dass einerseits prinzipiell nichts weiß, andererseits aber über eine Ratio verfügt, die überall nach Bedeutungen sucht und Zusammenhänge herstellen möchte, auch da, wo keine sind, wie uns z.B. der Glaube und der Aberglaube lehrt, die das Vakuum unseres Wissens auszufüllen versuchen. Denn die Vernunft stellt mehr Fragen, als sie ihrer Natur nach (selbst) beantworten kann, wie Kant lehrte. Und da springen dann die willigen "Helfer" ein, die versprechen, das zu wissen was keiner weiß und wissen kann.
Auf der diesjährigen DPG-Tagung des AK Phil (Arbeitskreis Philosophie der Physik) in Heidelberg schlug ein Professor der Physik aus Frankfurt am Main, ein Schüler C.F.v.Weizsäckers vor, die Information zur Grundlage einer umfassenden physikalischen Theorie zu machen, obwohl ja Informationen etwas rein Geistiges sind und daher eigentlich kein Gegenstand der Physik sein können. Information ist für mich die plausibelste Deutung von Daten, wobei jede Erscheinung durch ihre Deutung zur Information werden kann, wie zutreffend sie immer sei, weshalb eine Information also zwangsläufig immer etwas Subjektives ist. Das hatte der Professor natürlich auch richtig erkannt, weshalb er die Bedeutung von der Information trennen wollte. Doch was ist eine Information ohne Bedeutung? Nichts, absolut nichts! Von was spricht er also? Freilich, wenn man offen lässt, von was man spricht, dann sind Aussagen beliebig und nicht widerlegbar. Und zudem: eine Theorie die nichts Reales zum Gegenstand hat, kann an der Realität auch nicht scheitern. Theorien gehören heute zu einer sich immer mehr ausbreitenden ironischen Wissenschaft, die sich mit erfundenen Gegenständen oder Problemen beschäftigt, da im Grunde alles Wesentliche erforscht ist, auch wenn die Ergebnisse nicht jeder wahr haben will, weil sein Denken noch alten Vorstellungen anhängt oder er Institutionen mit traditionellem Denken verpflichtet ist. Und es ist doch auch ironische Wissenschaft pur, wenn man für einen Aufwand von Hunderten von Millionen Dollars jahrelang nach einer winzigsten, nur mathematisch darstellbaren "Stauchung der Raumzeit" von "ein Milliardstel eines Milliardstel-Zentimeters (10-18cm)" sucht, die sofort wieder verschwunden ist, also für nichts in der Welt von Bedeutung ist, außer eben für eine Theorie der ironischen Wissenschaft, die ihre Bestätigung in der Grauzone von Messtoleranzen sucht (s. auch meinen Juli/August-Kommentar zur ebenso vergeblichen Suche nach einen weiteren Beweis zur Existenz der "Raumzeit"); oder die durch ein Sprachspiel, wie z.B. durch die unauffällige Vertauschung der Wörter "Uhr" und "Zeit", den Anschein eines "Beweises" der "Zeitdehnung" erbringen will, indem ein als "Uhr" definierter Vorgang durch Änderung seiner Randbedingen verlangsamt wurde, was jedoch mit der Größe Zeit nicht das Mindeste zu tun hat. Wann fängt die Öffentlichkeit und wann fangen die öffentlichen Geldgeber an, dies zu begreifen? Haben wir denn keine anderen Sorgen? Aber vielleicht ist es ja der Wunsch der USA und deren Einfluss, Physiker bei uns ironische Wissenschaft betreiben zu lassen statt echter Physik, die derweil von amerikanischen Militärs in geheimen Labors praktiziert wird, um ihrem Staat seine Hegemonie zu sichern, während "das alte Europa" selbstgefällig in seiner Ohnmacht verharrt (s. hierzu das neue Buch von John Krige "American Hegemony and the Postwar Reconstruction of Science in Europe" MIT Press, Cambridge 2006, 384 S., geb. € 34,50, ISBN 9780262112970).
November 2007
Information als Basis der Physik ist vielleicht doch nicht ganz so falsch, wie ich im Oktober noch meinte, denn alle Theorien basieren auf Informationen, weil wir es hirnmäßig eben nur mit Informationen zu tun haben und nicht mit einer objektiven, bewusstseins- und denkunabhängigen Welt außerhalb des Denkens. Da denkerisch kein Unterschied zwischen Information und Wirklichkeit gemacht werden kann (Mitterer: "Die Beschreibung des Objekts ist nicht unterscheidbar vom Objekt der Beschreibung!"), hat auch Zeilinger in seinem Buch "Einsteins Schleier" bereits versucht, die Information zur Basis der Quantenphysik zu machen, weil die Wirklichkeit, mit der wir geistig umgehen, unser eigenes Konstrukt ist, abhängig von den Informationen, die wir haben. Aber wir haben eben nicht Informationen über Informationen, sondern Informationen über etwas, z.B. über Gegenstände außerhalb unseres Denkens, die wir durch die Sinne erfahren, Gegenstände deren Eigenschaften in unterschiedlichen Disziplinen untersucht werden, wozu zwischen Physik, Chemie, Biologie und den Neuro- und Sozialwissenschaften unterschieden wird. Letztlich sind zwar alle Wissenschaften aus der Philosophie hervorgegangen, weil die Philosophen nach Ursachen fragten, aber man hat auch festgestellt, dass die verschiedenen Daseinsebenen eigenen Verhaltensmustern unterliegen, anhand derer man sie unterscheiden kann und muss, wollen wir ein ihnen angemessenes Verständnis finden. Der große Erfolg auf allen den genannten Gebieten der Forschung und Lehre gründet eben auf dem Wissen über die unterschiedlichen Verhaltensweisen, wenn es auch nicht an reduktionistischen Versuchen von Vereinfachern fehlte und fehlt, diese zu leugnen. Der Weg des Fortschritts im Wissen ist jedoch der der Unterscheidung und nicht der Nivellierung von Unterschieden und Begriffen. - Nachtrag vom Sept. 2011: Inzwischen hat der genannte Professor seine These von der Information (ohne Bedeutung) als Grundlage der Physik auch bei einem Workshop der DPG in Münchens TU vorgetragen. Als ich ihm zugestand, dass menschlicher Geist nur mit Informationen umgehen kann, die er aus Daten gewinnt, hielt er dagegen, dass wir nur Informationen über Informationen haben, die es bereits gibt. Das ist wohl die Konsequenz dessen, wenn man aus Selbstblindheit die Rolle des Beobachters leugnet - eine typisch autistische Sicht (Näheres zum Informationsbegriff s. die Datei von 2013/2014 (II/7a) "Was ist und wie entsteht Information?").
Dezember 2007
Naturwissenschaftler sind von Haus aus Materialisten. Betriebsblind wie sie sind, wollen viele zeigen, dass auch alles Mentale nur Materie ist. Erst der Quantenphysik ist das sogenannte "Materielle" unter den Händen zerronnen, weshalb Zeilinger und andere eine neue Basis der Physik suchen und denken, sie im Begriff der Information gefunden zu haben. Doch auch hier sollten wir nicht die Ebenen vertauschen wollen. Wie Forscher versuchen, Erscheinungen der Natur zu verstehen und zu beherrschen, so müssen wir auch die Natur des Wissens zu verstehen suchen, ein Problem, das Zeilinger am Schluss seines Buches durchaus sieht und anspricht, dabei auf die Hilfe der Philosophie hoffend. Wissen ist ja nicht ein Abstraktum im luftleeren Raum, sondern hat eine dem Lebendigen dienende Funktion, die es zu sehen gilt. Wissen gehört zum aneignenden Charakter des Lebendigen. Die Anverwandlung des Fremden in das Eigene zum Erhalt und zur Reproduktion ist die Strategie des Lebens schlechthin. Der aneignende Charakter des Lebens schlägt auch voll auf das Wissen durch und bestimmt das Wesen des Wissens: Wissen ist das Ergebnis der Anverwandlung empfangener Daten an die Verständigkeit des Beobachters, wodurch aus dieser Verschmelzung von objektiven und subjektiven Elementen zu einer neuen Einheit eine neue Wirklichkeit mit eigenen Regeln entsteht, die wir die geistige nennen. (s. hierzu insbesondere mein DPG-Referat von 2005 "Zeilinger und die Entdeckung des Subjekts" auf ZEIT UND SEIN unter (1). Das heute so oft diskutierte "Problem des Bewusstseins" sehe ich vor allem bei jenen, die alles rein (quasi-)materiell (weg-)erklären wollen, weil sie emergente Eigenschaften leugnen. Probleme in der Wissenschaft sind sehr oft die Folge eines unangepassten Denkens, das den Fakten nicht gewachsen ist.
© HILLE 2007
- E N D E der Anmerkungen -
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