Auf dem Weg in meine alte Heimat in Sachsen-Anhalt, las ich im Hauptbahnhof von Halle/Saale von einem neuen Museum in Nebra zur berühmten Himmelsscheibe und beschloss, es möglichst bald zu besuchen, obwohl ich auch las, dass sich das Original der Scheibe in Halle/Saale im Landesmuseum für Vorgeschichte befindet (dort aber erst ab 23. Mai 2008 wieder zu besichtigen ist). Was konnte ich also erwarten? Über dem Tal der Unstrut sah ich dann hinter Wangen, einem Ortteil von Nebra, ein goldenes Gebäude mit einem Knick schweben, ähnlich den goldenen Bögen auf der Himmelsscheibe. Sein Name: Arche Nebra. Voller Spannung betrat ich das Gebäude. Dort erfuhr ich als erstes, dass sich in ihm auch ein Planetarium befindet, welches jedoch, trotz des Wochentags, leider ausgebucht war. Ich war wegen des vorausgegangenen Besuches der imposanten Burg Querfurt (s. unten) einfach zu spät dran. Die einladende Cafeteria ignorierend stieg ich in den 1. Stock und kam da aus dem Staunen nicht mehr raus. Eine Multimediaschau nach dem neuesten Stand der Technik breitet das "Erleben Himmelsscheibe" aus. Dazu Daten und Bilder zur Entwicklung der Astronomie. Besonders interessant fand ich den Hinweis, dass sich am anderen Ende des Saale-Unstrut-Tales, in Goseck, das rekonstruierte älteste Sonnenobservatorium der Welt befindet. Stein- und Bronzezeit treffen hier auf engem Raum mit eindrucksvollen frühen hochstehenden kulturellen Zeugnissen aufeinander.
Die aufwändigen Inszenierungen der Arche Nebra bringen dem Besucher nicht nur die Geheimnisse der 3600 Jahre alten Bronzescheibe aus der frühen Bronzezeit nahe, sondern auch das Weltbild der bronzezeitlichen Menschen. So diente die Scheibe nicht nur zur Bestimmung von Sommer- und Wintersonnenwende, sondern mit Hilfe des Sternbildes der Plejaden in Verbindung mit dem Neumond (bzw. nach einer 2. möglichen Zählung 3 Tage nach diesem, auf was die Dicke der Mondsichel hinweist) und den ursprünglich 32 Sternen auch zur Synchronisierung von Mond- und Sonnenjahr, das für die Landwirtschaft wichtig ist (außerdem entsprechen 33 Mondjahre 32 Sonnenjahre). Der Vollmond im Frühlingsmonat galt dann als der Beginn des neuen Jahres. Wahrscheinlich ging dieses elitäre Wissen irgendwann verloren und der kultische Zweck der eindrucksvollen Scheibe überwog, auf was die Löcher am Rand der Scheibe hinweisen, mit deren Hilfe sie wohl auf einem Gestell montiert worden war und vielleicht umhergetragen wurde. Auch die Barke ist nachträglich hinzugefügt worden, eine aus dem Mittelmeerraum stammende Vorstellung vom Transport der Sonne im Himmelsozean vom Ort des Sonnenuntergangs zum Sonnenaufgang um die Erdscheibe herum. Weitere Informationen finden Sie hier.
Ich hätte mich gern noch weiter in die Inszenierung vertieft und auch versucht herauszufinden, was uns der bei vielen Schauobjekten hineinprojizierte muntere Geist mitteilen will und was der Kasperl in seinem Theater den Kinder sagt, als mich die Nachricht erreichte, dass ein Shuttlebus Besucher zum Fundort der Himmelsscheibe bringt, der durch einen 30 m hohen, in der Längsachse der Arche stehenden Turm markiert ist. Nach ca. 2,5 km hieß es aussteigen und auf den Mittelberg gehen. Auf seiner Kuppe war der Wald gerodet und der Boden akribisch kriminalistisch und archäologisch untersucht worden. Der Turm war nicht nur so gespalten, dass das durch den Spalt fallende Sonnenlicht die Sommersonnenwende anzeigt, sondern ähnlich wie die Nadel einer Sonnenuhr zum Fundort der Scheibe hin geneigt, der durch eine große polierte Platte markiert ist. Die in Stein gelegte Sichtachse zum Punkt der Sommersonnenwende zeigt auf den Brocken im Harz, den man bei klarer Sicht am Horizont erkennen kann. Es war für mich erstaunlich, wie viel schwindelfreie und steigefreudige Menschen es noch gibt, die schiefe Türme erklimmen. Aber mancher kommt da sicher schon an seine Grenze.
Ich hoffe, ich habe noch einmal Gelegenheit, das schöne Land und mit ihm die Arche Nebra aufzusuchen. Die Himmelscheibe und die weiteren hervorragenden Funde verbreiten einen Glanz alter Kultur, der weit über das Saale-Unstrut-Tal hinausreicht. Wenn man dann noch weiß, dass im nur ca. 40 km entfernten Bilzingsleben, durch die Straße der Romanik miteinander verbunden, seit 1969 durch die Universität Jena den Artefakten eines entwickelten Homo erectus nachgegangen wird, der dort vor ca. 400 000 Jahren lebte, dann erkennt man die große historische Bedeutung dieser Landschaft für die Entwicklung der Menschheit. Und ganz nebenbei findet man Spuren früher deutscher Kaisergeschichte in den Überresten des nahe Nebra gelegen Klosters Memleben (Sterbeort von König Heinrich I. und Kaiser Otto II.) und der Kaiserpfalz auf dem Kyffhäuser. Aber natürlich sollte man keinesfalls versäumen, auch den guten Saale-Unstrut-Wein zu genießen.
alle Fotos: www.saale-unstrut-tourismus.deHinweisen möchte ich hier auch nochmals auf die nur ca. 10 km nördlich von Nebra liegende Burg Querfurt (Bild Innenhof mit Kapelle), "als eine der größten und besterhaltenen mittelalterlichen Burgen im europäischen Raum" mit ihren wuchtigen Bastionen (Bild) und einer ganz wunderbar barock ausgestatteten, an südosteuropäische Vorbilder erinnernden romanischen Kreuzkirche (Bild).
© HILLE 2007
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