DPG-Frühjahrstagung 2019 / Technische Universität München (TUM)
Arbeitsgruppe Philosophie der Physik (AGPhil) 1.3 Mo 18.03.2019 15:00 Hörsaal 10


Philosophy of Cosmology

Die Gedanken sind frei

Eine neue Geschichte des Himmels
Mit der Unterscheidung von Universum und Kosmos


Abstract

Von Anaximander aus Milet (ca. 611 - 545) wurde als einer der ältesten Sätze der antiken Philosophie überliefert: "Der Ursprung der seienden Dinge ist das Unbegrenzte. Denn aus diesem entstehe alles und zu diesem vergehe alles. Weshalb auch unbeschränkt viele Welten produziert werden." Ohne heutige Kenntnisse in Physik und Kosmologie konnte Anaximander rein durch Vernunftüberlegungen diese Aussage treffen, die m.E. immer Bestand haben wird, solange wir der Vernunft und nicht dem Wunschdenken oder dem Zeitgeist folgen. Die Gedanken sind frei! Dazu gilt es, als Erstes zwischen Universum und Kosmos zu unterscheiden. Ein Kosmos ist ein geordnetes Ganzes, das aus einem gemeinsamen Ereignis hervorgegangen ist, das wir Big Bang oder auf Deutsch "Urknall" nennen. Das Universum ist das räumlich und zeitlich Unbegrenzte, in dem es unzählige Kosmen oder andere Konfigurationen gibt, wodurch bereits die Frage nach der Herkunft (und der Zukunft) des von uns bewohnten Kosmos beantwortet ist. Ein Kosmos geht aus einer zusammenströmenden Materie oder Antimaterie hervor, die bei großer Menge und Dichte einen Big Bang verursacht, der alle Formatierungen löscht. Aus der verbleibenden strahlenden Energie ging anschließend und später durch Supernovae die Materie hervor, die wir kennen. Folgen wir weiterhin dem Satz von der Erhaltung der Energie (der keiner Fremdbegründung bedarf, denn Erhalt ist die Grundbefindlichkeit des Seins) ergeben sich die Gegenstände der Kosmologie (samt ihrer Geschichte) fast von selbst.
Texte in ( ) nachträglich eingefügt


Referat
(Zwischentitel nachträglich)

Liebe Mitglieder des AK Phils, verehrte Anwesende,
Mein in der Ankündigung nicht wiedergegebener Untertitel lautete: "Universum und Kosmos". Als einer der ältesten Sätze der antiken Philosophie ist von Anaximander aus Milet (ca. 611 - 545 v.d.Z.) überliefert: "Der Ursprung der seienden Dinge ist das Unbegrenzte. Denn aus diesem entstehe alles und zu diesem vergehe alles. Weshalb auch unbeschränkt viele Welten produziert werden." Und natürlich auch wieder vergehen. Ohne heutige Kenntnisse in Physik und Kosmologie konnte Anaximander rein durch Vernunftüberlegungen diese Aussage treffen, die m.E. prinzipiell immer Bestand haben wird. Die Gedanken sind frei! Also lassen Sie uns frei als Erstes Universum und Kosmos unterscheiden. Ein Kosmos ist ein geordnetes Ganzes, das aus einem gemeinsamen Ereignis hervorgegangen ist, das wir Big Bang oder auf Deutsch etwas mystisch "Urknall" nennen. Das Universum dagegen ist das räumlich und zeitlich Unbegrenzte, wie es Anaximander sah, in dem es unzählige Kosmen oder andere Konfigurationen geben kann, wodurch bereits die Frage nach der Herkunft des von uns bewohnten Kosmos beantwortet ist. Ein Kosmos geht aus einer zusammenströmenden Materie oder Antimaterie hervor, die bei großer Menge und Dichte einen Big Bang verursacht, der alle Formatierungen löscht. Aus der verbleibenden strahlenden Energie, die weder Materie noch Antimaterie ist, ging sofort anschließend und später durch Supernovae die Materie hervor, die wir kennen. Folgen wir weiterhin dem Satz von der Erhaltung der Energie, der keiner Fremdbegründung bedarf, denn Erhalt ist die Grundbefindlichkeit des Seins, ergeben sich die Gegenstände der Kosmologie fast von selbst.

Die Einheit des Kosmos
Mit dem Satz von der Erhaltung der Energie in Verbindung mit Newtons Gravitationsverständnis und den gesicherten Befunden der Quantenphysik haben wir bereits alle Elemente für die Dynamik unseres Kosmos in der Hand. Beim Big Bang wurden aller betroffenen Materie zwei Impulse verliehen: 1. äußerlich die kosmische Fliehkraft geradlinig vom Ort des Big Bang weg, 2. ihrer Natur nach die gegenteilige Anziehungskraft aller Materie auf alle andere betroffene infolge ihrer Verschränkung durch den Big Bang, weshalb sie ständig zueinander hin strebt. Der von uns beobachtbare Kosmos mit seinen Galaxien, Kugelsternhaufen und Planetensystemen ist das Ergebnis dieser beiden widerstreitenden Urkräfte und ihr getreues Abbild und ist der größtmögliche Beweis, den es für eine These je geben kann. So wie die Schwerkraft aller kosmischen Materie nicht verlierbar ist, so bleibt ihr Fliehimpuls im Großen erhalten, während Galaxien und Planetensysteme beim gemeinsamen "Fliehen" durch das Gleichgewicht beider Urkräfte zusammengehalten werden. Auch hier ist wieder die antike Philosophie vorbildlich, auch mit der Vorwegnahme der Verschränkung als Grund der Einheit, dem nächsten Thema:

Zitate  (gebeamt)

Die Gedanken sind frei: Schwerkraft als Verschränkungsphänomen bedenken
Entgegen der menschlichen Gewohnheit, sich auf den Augenschein verlassend, alles optisch Getrennte als auch energetisch getrennt anzusehen, bildet alle Materie des Kosmos einschließlich aller Strahlung jeder Art ein energetisches Ganzes. Die Dinge des Himmels sind sich nicht fern, wir sehen sie nur so, obgleich das Sonnensystem und insbesondere das innige System Erde-Mond mit Ebbe und Flut uns eines besseren belehrt haben sollte. Einstein hatte da völlig Recht, wenn er sich gegen Fernwirkungen sträubte. Aber die Schwerkraft muss nicht erst durch den Raum eilen oder ihn gar "krümmen", wie er meinte, sondern sie ist vom Urknall an immer schon am Ort ihres Wirkens und damit instantan wirksam. Für Newton waren Körper nicht die Ursache der um sie herum verteilten Zentripetalkraft, wie er die Schwerkraft nannte, sondern nur ihr Mittelpunkt, wie man in seinen Principia nachlesen kann. Heute könnten wir wissen: Ursache war der Big Bang, der alle betroffenen Materie miteinander verschränkte, wie das auch bei den ebenfalls durch einen gemeinsamen Ursprung verschränkten Quanten der Fall ist. Wie bei der von mir angeregten Unterscheidung von Universum und Kosmos, den Denkhorizont erweiternd, sollten wir weiter denkend ferner die Schwerkraft als ein Verschränkungsphänomen betrachten, auch wenn ggf. der Verschränkungsbegriff erweitert werden müsste.* Das Umdenken hat den Vorteil, dass es das Ausdenken von Hypothesen erspart, die unverstandene Fakten an das überkommene Verständnis von Wissenschaftlern adaptieren sollen. Zu meinem Weltbild muss man nicht erst mit viel Geld und jahrzehntelang mühsam in den Weiten des Alls nach winzigsten Erregungen suchen, denn die signifikanten Fakten sind ganz offen ersichtlich und liegen jedermann vor Augen.
*eventuell die kosmische Verschränkung z.B. "Superverschränkung" nennen

Der Physik eine neue Richtung geben
So wie Newton um 1680 die Gemeinsamkeit zwischen dem Fallen eines Apfels und dem Kreisen der Planeten entdeckte, Faraday um ca. 1830 durch Entdeckung des Elektromagnetismus Elektrizität und Magnetismus zusammenführte, so wird es Zeit, Schwerkraft und Verschränkung in Einem zu sehen und dadurch der Physik und der Kosmologie eine neue Richtung zu geben. Um den Stillstand in der theoretischen Physik zu überwinden, den Weinberg die "Melancholie des 20. Jahrhunderts" nannte, ist die Akzeptanz der Schwerkraft als ein Verschränkungsphänomen unausweichlich. Es fehlt dazu nicht an Wissen, sondern nur an Mut und am richtigen Gebrauch der Begriffe. Seien wir so mutig wie gewissenhaft!

Das Gravitationsgesetz und der fehlende Term
Zuerst zwei Anmerkungen: Ich spreche von Schwerkraft, wenn es um die Sache Kraft geht, von Gravitation, wenn es um eine Theorie der Schwerkraft geht und von "kosmischer Fliehkraft", wenn es um die durch den Big Bang verursachte ursprüngliche Fliehkraft geht. - Wie ich in Würzburg 2018 vor dem Fachverband EP* bereits vorgetragen habe, halte ich es für erforderlich, in der Kosmologie die Gravitationsgleichung durch einen Term für die kosmische Fliehkraft zu ergänzen,** die allen astronomischen Objekten beim Big Bang verliehen wurde. Großräumige Geschwindigkeitsmessungen sind nur durch die Berücksichtigung der kosmischen Fliehkraft verständlich zu interpretieren. Im kleinräumigen Bereich, da wo Schwerkraft und Fliehkraft im Gleichgewicht sind, wie bei Planetensystemen, wo die Planeten der Anziehung des Zentralgestirns ihre Fliehkraft entgegensetzen und bei den sehr alten Kugelsternhaufen, spielt das keine oder nur eine geringe Rolle. Bei Galaxien kommt die kosmische Fliehkraft erst dann merklich zum Tragen, wenn viele massereiche Objekte sich signifikant voneinander entfernen, wodurch im Außenbereich der Galaxie der Einfluss der anziehenden Schwerkraft dort kleiner und somit im Verhältnis zu ihr die Wirksamkeit der gleichbleibenden kosmischen Fliehkraft größer wird. Dass die Fliehkraft nach wie vor da ist, ergibt sich aus dem Erhaltungssatz der Energie. Dunkle Materie und Dunkle Energie stehen für mich für die Differenz der verwendeten Gleichungen mit den gemessenen Werten, die in meiner Sicht aufgehoben ist. Auch nicht berücksichtigt wurde meines Wissens bis heute ebenfalls, dass infolge der Quantelung der Energie die Reichweite von Schwerkraftfeldern begrenzt ist, wodurch sich ein zusätzlicher Effekt zur beschleunigten Ausdehnung des Kosmos ergibt.
*FV Extraterristrische Physik
**im Gegensatz zu Einstein, dessen Term seinem sehr persönlichen Wunsch nach einem statischen Kosmos Ausdruck gab

Eine alternative Gravitationstheorie
Als Beispiel einer alternativen Gravitationstheorie habe ich im Heft 3 von 2013 der MaxPlanckForschung gelesen: "Bekanntestes Beispiel einer dieser Alternativen dürfte wohl die sogenannte MOND-Theorie (Modifizierte newtonsche Dynamik) des israelischen Physikers Mordehai Milgrom sein. Der hatte bereits vor dreißig Jahren das newtonsche Gravitationsgesetz so abgeändert, dass es die Rotation von Spiralgalaxien ohne die Annahme der hypothetischen Dunklen Materie erklärt." Newton Gravitationsgesetz gilt streng genommen nur für zwei Körper als Massepunkte, was bei seiner Berechnung von Planetenbahnen ausreichend genau war, jedoch nicht für Vielkörpersysteme, weshalb es mathematisch weiterentwickelt werden muss, scheitert es doch in der Regel schon am Dreikörperproblem. Ob da die MOND-Theorie bereits die Lösung bietet, weiß ich nicht.

Die richtigen Verwendung der Sprache als Schlüssel der Wahrheitsfindung
In meiner Sicht haben wir es mit einem Weltbild von großer Einfachheit, Klarheit und Schönheit zu tun, das m.E. darin nicht übertroffen werden kann. Es gibt in diesem Bild nicht nur kein Problem zwischen der Schwerkraft und den Teilchen - ganz im Gegenteil: erst die Quantenphysik macht uns die Schwerkraft und den Kosmos verständlich. Und die Unterscheidung von Universum als dem Unbegrenzten und dem Kosmos als ein Ereignis in ihm beantwortet die Frage nach seiner Herkunft und Zukunft gleichermaßen. Zugleich ist der Big Bang und seine Folgen ein Beispiel für die Natur des Schöpferischen, als die durch eine Energie bewirkte innige Verbindung unterschiedlicher Komponenten zu einer neuen inneren Einheit, beginnend bei den Atomen, verbunden mit dem Auftauchen neuer Eigenschaften, in der englischen Metaphysik Emergenz genannt. Es fehlt also in der Kosmologie und Physik nicht an Fakten und Vorgaben, um die Welt im Großen und im Ganzen zu verstehen, sondern einerseits "nur" an der Bereitschaft, über scheinbar Bewährtes hinaus zu denken, andererseits an der Benutzung einer der Sache angemessenen Sprache, also an Sprachdisziplin, die ich für entscheidend halte. Wird z.B. eben nicht zwischen Universum und Kosmos unterschieden, lässt sich auch nichts Vernünftiges über Vergangenheit und Zukunft des Kosmos sagen, was der Stand der unendlichen Debatte ist. Für den Ursprung der Welt und des Schöpferischen wird dann in Not gern die Theologie bemüht in der richtigen Einsicht, dass ohne ein ewig Existierendes und Schöpferisches, das "Gott" genannt wird, die Existenz der Welt nicht verstanden werden kann. Dazu bedarf es aber nicht des Glaubens! Das Grundproblem - wie hier mit Universum, Emergenz und Verschränkung zu Ende gedacht - zeigt, dass es zwischen Physik und Metaphysik eigentlich keinen Gegensatz gibt - nur die Sprache beider ist so verschieden wie jeweils unangemessen, weil zu anthropomorph. Beide Fraktionen sollten sich also mehr Mühe geben, denn "die Wahrheit ist in der richtigen Verwendung der Sprache zu finden", wie die österreichische Dichterin Ingeborg Bachmann einmal bemerkte.

    Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Autor und Vortrag:
Helmut Hille, Heilbronn
FV DD, Mitglied der AG Phil

mein Tagungsausweis 2019
Meldung von heise online vom 26.04.2019:
"Hubble-Konstante: Universum expandiert noch schneller als erwartet
Die Diskrepanz zwischen der erwarteten kosmischen Expansionsgeschwindigkeit und der ermittelten ist noch größer als bislang gedacht. Neue Theorien müssen her."

Anmerkungen: Nach meiner positiven Erfahrung mit dem FV EP (Extraterrestrische Physik) 2018 in Würzburg (s. Tagungsbeiträge (10) "Warum Gravitationsgleichungen nicht reichen ...) wollte ich den FV auch mit meinen Gedanken über das Verhältnis von Universum und Kosmos bekanntmachen. Entgegen meinem Konzept wurde mein Vortrag mit vielen anderen aber als "Poster" eingestuft mit dem Titel: "Die Gedanken sind frei. Philosophie des Universums". Werde den Termin nicht wahrnehmen, auch wegen der Terminnähe zu meinem 2. Vortrag. Habe jedoch gebeten, statt dessen am Schwarzen Brett auf den gleichen Vortrag bei der AG Phil 1.3 am Montag hinzuweisen (ist geschehen, danke Herr Dr. Wobst!). - Vielsagend ist, dass von beiden Verbänden mein Untertitel "Universum und Kosmos" nicht übernommen wurde (von mir jedoch beibehalten und etwas erweitert). Das beweist, wie dringend es ist, den Unterschied zwischen Universum und Kosmos als den Schlüssel zum Verständnis des Himmels aufzuzeigen. Den von der AG Phil gewählten Untertitel "Philosophy of Cosmology" habe ich hier vorausgestellt, da er sowieso deren Obertitel ist. Ich denke, ich habe in knapp 15 Minuten die Welt und den Weg zu ihrem Verständnis erklärt. Weiß aber nicht, ob das jemand bemerkt hat. - Zur Diskussion gehört am besten eine Geschichte, an der man sich abarbeiten kann, weshalb ich Anfang April 2019 als 2. Untertitel "Eine neue Geschichte des Himmels" gewählt habe, um die es ja auch geht, weshalb er auch als Haupttitel genommen werden könnte. Inzwischen auch Titel der Philosophischen Sentenz vom Mai 2019 (unbedingt lesen!). - Gegen den heftigen Unwillen des Chairman (war er angesichts meiner unkonventionellen Ansichten in Panik geraten?) - obwohl ich ihn bereits am Anfang auf meine Absicht hingewiesen hatte und genügend Redezeit zur Verfügung stand - habe ich noch aus der Sentenz vom Januar 2019 "Der Weltseele auf der Spur" vorgetragen, die den Inhalt des Referats unter einem anderen Blickwinkel behandelt.
13.06.2019 Reihenfolge der beiden Untertitel gewechselt


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Dokument: http://www.helmut-hille-philosophie.de/anhang11-AG.html